Sonntag, 25. Dezember 2011

Geschichten, die keiner mag#6: "Was los, bljad!?"

Nein, das war zeitweise echt nicht schön, das sag ich euch.

Als ich nach Deutschland umgezogen bin, war ich so 11-12 Jahre alt. Um mir den Schuleinstieg leichter zu gestalten, meldete mich meine Mutter auf einer Schule an, die extra für Kinder mit Migrationshintergrund gedacht war. Davor musste ich mich allerdings einer Reihe Tests unterziehen. Ich weiß nicht mehr wo es war, aber wir gingen in diese Einrichtung hin und mir wurde gesagt, ich soll die paar Matheaufgaben rechnen. Hab ich gemacht. Dann musste ein Sehtest gemacht werden, und es kam dann noch was, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

Anyways, irgendwann kam auch der erste Schultag. Ich war so scheiße aufgeregt; hatte massive Angst davor. Aber im Endeffekt wars gar nicht schlimm. Nachdem ich und meine Mutter reinkamen, trafen wir uns erstmal mit den Rektor. Nennen wir ihn Herr Lykanthrop. Er begleitete uns zum Klassenzimmer und dann...dann war ich drin. Es war eine Art Vorklasse. Die man größtenteils nur ein Paar Monate lang besucht hat, bis man genug Deutsch sprechen konnte um mit seinen Jahrgängen in den Matheunterricht zu gehen. Sprich, nach ner Weile wurde man zum Matheunterricht in mehrere andere Klassen verbannt. Nun, es waren nämlich die Jahrgänge 5 bis 9 in einer Klasse. Das fand ich schon seltsam, aber naja...die Leute waren echt in Ordnung, es ließ sich mit denen aushalten. Unser Klassenlehrer Herr Gorleben war echt in Ordnung. Er hörte Metal, und so.

Nach den Allerheiligen-Ferien wurde ich in die 6. Klasse versetzt. Schon davor hatte ich 6.Klassen-Matheunterricht beim Herrn Lykanthrop und lernte meine zukünftigen Klassenkameraden kennen. Was waren das für Assis. Also aus damaliger Sicht. Aus heutiger Sicht betracht ich das einfach als schlicht kindisches Verhalten. Damals waren sie 12 oder fast 13 Jahre alt und benahmen sich wie Sau. Hinter jeden zweiten Wort wurde das Schimpfwort "Bljad" angehängt; man erfüllte sonst mit seinen Verhalten unbeabsichtigt das Klischee des Russland-Deutschen. Herr Lykanthrop war echt nett, aber total seltsam. Er versuchte uns immer wieder Sachen anzudrehen. Anscheinend hatte er daheim einen unglaublichen riesigen Krempel-Lagerraum oder er räumte die Wohnung eines gestorbenen Familienmitglieds aus oder so. Ein Beispiel dafür wäre diese seltsame runde 70er-jahre-Lampe. Oder die Aufnahmekassetten die er als Preise bei mündlichen Abfragen verteilt hat. Als ich sie mir angehört hab, stellte ich fest, dass da jede Menge Aufnahmen von ihn selber drauf sind....

Irgendwann kam ich auch in die 7. Klasse, wo wie in der 6. auch, Schüler der 5.,6., und 7. Jahrgangsstufe drin waren. Bloß etwas fortgeschrittener von Deutsch-Kenntnissen her. Was soll ich sagen, es war witzig, wir hatten einen echt coolen Lehrer namens Herr Fischer und wir waren eine Klasse, die es verstand zusammen zu halten. Doch manchmal lösten diese ganzen nervigen Kinder Aggressionen bei mir aus. Also warf ich mit Gegenständen. Nebenbei wurd ich auch Teil der Schülerzeitung.

Das nächste(und letzte Jahr) wurd dagegen echt schlimm. Die meisten Leute, mit welchen ich mich gut verstanden hab, sind von der Schule gegangen, übrig blieb n Haufen Russland-Deutscher, mit welchen ich mich zwar verstanden hab, die aber in der Gruppe echt unangenehm waren. So bevorzugten sie es sich gangartig in der Gegend zu treiben und in Schlägereien zu geraten. Irgendwann war der Höhepunkt erreicht. Einer aus der Kasachstan-Truppe schlug einen Kubaner die Nase blutig. Dafür arrangierte Herr Fischer extra eine Sitzung in der Aula um die Lage zu besprechen. Aus heutiger Sicht eher ungewohnt, das ganze wäre mit nem Verweis geeendet oder so.

Doch auch ich wurde immer "radikaler". Irgendwann hatt ich die Schnauze voll und warf einen Stuhl auf so nen Riesenhengst der unseren Klassensprecher zur Sau gemacht hat. Er schubste einen anderen Schüler rum und fragte den Klassensprecher warum er nichts tut. Der Grund: Sowohl der Klassensprecher, als auch das Opfer waren beide 1,50 groß. Autsch. Also da flog der Stuhl, es folgte ein Lehreringespräch und man wartete auf mich nach der Schule. Zum Glück konnte die Sache irgendwie geklärt werden. Im Gegensatz zur 6. Klasse als mir ein Mitschüler in den Bauch geschlagen hat und ich extra zum Arzt musste. Oder als ein anderer Mitschüler, der mich weder zum Russe noch Kasachen einordnen konnte(die übrigen russischsprachigen "Sparten" waren entweder "Russlanddeutscher", "Russe" oder "Jude") mich als Jude beschimpfte. Da wurd meine Mutti beim Elternabend sauer. Sauer auf die Lehrerin, die anstatt das ganze schlimm zu finden, sofort eine Theorie aufgestellt hat, wieso das so ist. Weil Juden im Gegensatz zu den Kasachstanern bei der Einreise Möbel mitbringen dürfen. Yeah.

Die allerletzte Schulwoche war auc nicht so cool. Einer dieser Rüpel war der Meinung er müsste jemanden der kleiner und jünger mobben und durch die Gegend schubsen. Also schubste ich ihn auch. Gegen den Türrahmen. Ergebnis war eine Platzwunde am Auge. Haha. Niemand fand raus, wer es ihm angetan hat. Er selbst drohte mir zwar Schläge an, aber die Tatsache dass ich das getan habe war ihm wohl so peinlich dass er das nicht öffentlich angesprochen hat. Ich hatte hingegen schon ziemlichen Schiß und ging die letzte Woche jede Pause ausgiebigen Klositzungen nach.

Ein paar Jahre später hab ich erfahren was aus der Schule geworden ist. Herr Lykanthrop ist gestorben, an seiner Stelle wurde Herr Fischer Rektor. Jeder den ich kannte ist gegangen und hat mittlerweile n Abschluß. Oder studiert, oder so. Die Atmosphäre dort wurde laut Gerüchten noch übler. Die Gruppenbildung wurde anscheinend noch öfter praktiziert, d.h. es soll anscheinend kaum Zusammenhalt zwischen verschiedensprachigen Schülern geben; jeder hängt mit seiner "Nation" rum. Tja, wenn das so ist, dann ists echt schade.

Ich glaub ich guck mir die Schule heut noch an, bevor es dunkel wird. Nostalgie und so.

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